Herbstreise des St. Gerhards-Werks in die Vojvodina

Bericht von Stefan Teppert

Auf dem Balkan ist die Gedenkkultur für die Opfer des Genozids an den Jugoslawiendeutschen noch jung, obwohl die tragischen Ereignisse schon mehr als 62 Jahre zurückliegen.

Als 1997 erstmals in Serbien der 12.000 Toten des Vernichtungslagers Rudolfsgnad offiziell gedacht werden konnte – es geschah auf Initiative der Gesellschaft für deutsch-serbische Zusammenarbeit unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Zoran Žiletić aus Belgrad , war dies die Initialzündung für eine neue, wenn auch zuweilen bis heute noch fragile Offenheit im Lande. Es wurden in der Folge Gedenkstätten u.a. in Rudolfsgnad, Gakowa und Kikinda errichtet, es fanden würdige Trauerfeiern mit Beteiligung serbischer Regierungsvertreter statt, ein Prozess, der ebenso wie die Aufarbeitung dieser dunklen Zeit und die davon abhängige Versöhnung bemerkenswerte Fortschritte zu verzeichnen, aber längst noch keinen Abschluss gefunden hat.

Auch das St. Gerhards-Werk mit Sitz in Stuttgart, die Organisation für alle  donauschwäbischen Katholiken, ist nun endlich seiner christlichen Pietätspflicht nachgekommen, hat an Massengräbern die Toten geehrt und Kränze niedergelegt. Was nämlich unter seinen früheren Vorsitzenden, auch nach der Wende von 1997, kein Thema war, steht unter dem jetzigen Vorsitzenden Johannes Weißbarth ganz vorn auf der Agenda.

Bei der diesjährigen Reise repräsentierten Geschäftsführer Rudolf Fath und Vorstandsmitglied Stefan Teppert ihre Organisation, Weißbarth war aus gesundheitlichen Gründen verhindert.

Um kein weiteres Jahr zu verlieren, schloss man sich für diesmal kurzfristig einer schon ausgeschriebenen Reise des Oswald-Hartmann-Verlags vom 21. bis 28. September an, zumal ihr Programm teilweise die eigenen Zwecke verfolgte. So konnte man auch von den Verbindungen und Sprachkenntnissen des erfahrenen Reiseveranstalters profitieren. (Das Gerhards-Werk wollte zwar ursprünglich zwei Tage lang unabhängig von der übrigen Reisegruppe einige Batschka-Dörfer aufsuchen, doch zerschlug sich diese Absicht durch den Mangel an Interessenten.

Nachträglich stellte sich das als glückliche Fügung heraus, denn keiner hätte die gewonnenen Erlebnisse und Eindrücke missen möchten.) Mit einem modernen Bus der Firma Beck (Schwenningen) ging die Fahrt zunächst bis Györ als Zwischenstation.

 Am nächsten Mittag erreichten wir nach einem relativ zügigen Grenzübertritt bei Bački Breg die Bezirkshauptstadt Sombor. Ihre 60.000 Einwohner setzen sich aus zahlreichen ethnischen Minderheiten zusammen, die alle organisiert auftreten und eigene Kulturhäuser besitzen, so auch die kleine deutsche Minorität. Der deutsche humanitäre Verein „St. Gerhard“ wurde 1999 in Sombor gegründet und hat sich die Vernetzung der Angehörigen der deutschen Minderheit im Gemeindegebiet, die Pflege der deutschen Sprache sowie nationaler Bräuche und Merkmale zum Ziel gesetzt. Der Verein betreut ca. 700 Mitglieder im „Haus der Versöhnung“ in der Matije Gupca. Das Haus hat die Stadt Rosenheim gespendet. Es wurde von serbischen Handwerkern dort komplett ab- und in Sombor wieder aufgebaut. Finanziell stützte u. a. das St. Gerhardswerk in Stuttgart unter seinem damaligen Stv.-Vorsitzenden Franz Wesinger das Projekt. Das Kulturzentrum hat moderne Büros, eine kleine Bibliothek, ein Museum und einen Saal für Ausstellungen, Vorträge und Feste. Dorthin luden uns der Vorsitzende Anton Beck und seine charmanten Mitarbeiterinnen nach einer kleinen Stärkung mit Kaffee und Plätzchen ein. An den Wänden hingen noch ein paar Gemälde einer halb schon abgebauten Ausstellung von Malern donauschwäbischer Abstammung aus Sombor und Umgebung. Die hauptamtliche Mitarbeiterin Gabriela Bogisić referierte über das reichhaltige Kulturprogramm des Hauses, das u. a. in der Vorführung deutscher Filme, Buchpräsentationen, Ausstellungen, Lesungen, Konzerten, Vorträgen, Festivals, Kulturfahrten, Sprachschulungen, einem deutschen Kindergarten und nicht zuletzt Kranzniederlegungen besteht. Auch Anne Tahirović berichtete über die Arbeit des Kulturzentrums.

Sie ist eine vom Institut für Auslandsbeziehungen in Berlin installierte Kraft zur strategischen Unterstützung der deutschen Minderheit in den Bereichen Bildung, Jugend, Kultur und Medien.

Nachmittags ging die Fahrt zusammen mit Anton Beck in nördliche Richtung zum 2004 eingeweihten Gedenkkreuz für die Umgekommenen des Lagers Gakowa. Stefan Teppert stellte dort in kurzen Zügen die systematische Vernichtung der Jugoslawiendeutschen in den Jahren 1944 bis 1948 dar und ging dann auf die bis zu 27.000 Menschen ein, die aus Lagern des Banats und der Batschka hier zusammengepfercht waren. Von ihnen starben ca. 18.400, im benachbarten Kruschiwl waren es ca. 8.600. Teppert wies schließlich auf die gutgesinnten, aber unbekannt gebliebenen Nothelfer der Lagerperipherie hin, die den Verhungernden mit Essbarem oft das Leben retteten und mit Geld zur ab 1946 geduldeten und von den Partisanen kommerzialisierten Flucht verhalfen. „Wir stehen hier, weil wir Versöhnung und ein neues Miteinander suchen, aber auf dem Boden der ungeschminkten Wahrheit.“ Rudolf Fath sprach Fürbitten und zusammen mit den Versammelten das Vaterunser, daraufhin wurde ein Kranz mit Schleifen des St. Gerhardswerks niedergelegt. Wegen der fortgeschrittenen Zeit und der gesetzlich einzuhaltenden Ruhepausen für den Busfahrer konnten wir das Massengrab von Kruschiwl leider nicht mehr mit einer ähnlichen Zeremonie bedenken, sondern mussten unverzüglich das Hotel in Etschka, einer heute zu Zrenjanin gehörigen Gemeinde, ansteuern.

In diesem Hotel verbrachten wir die folgenden vier Nächte. Es ist die komplett zu einem Hotel umgebaute ehemalige Burg von Etschka, die im Stil eines englischen Jagdschlosses für die adlige Familie Lazar errichtet worden war. Zur Eröffnungsfeier der Burg am 29. August 1820 trat der berühmte Komponist und Klaviervirtuose Franz Liszt (1811–1866) vor vielen bedeutenden Persönlichkeiten der damaligen Zeit auf. Gleich neben dem Hotel befindet sich die röm.-kath. Kirche, die 1763 von Lazar János, dem ältesten Sohn des Grundherrn Lazar Lucáks, gegründet wurde. Der heutige, 1864 von dem Csanader Bischof Alexander Bonnaz eingeweihte, mittlerweile auch schon im Verfall begriffene Bau, wurde uns auf Wunsch zur Besichtigung aufgeschlossen, denn die Innenausstattung ist durchaus sehenswert, beispielsweise die Bilder des holländischen Künstlers Adolf van der Venne (1828 –1911).

Am nächsten Morgen kamen wir, gefüttert von den Erläuterungen unserer zugestiegenen Reiseführerin Isabela Hedji, jenseits der Theiß ins Banat, durchfuhren ehemals donauschwäbische Dörfer wie Ernsthausen und Setschan und erblickten, reizvoll angeschmiegt an die hier zur pannonischen Tiefebene auslaufenden Karpaten, umkränzt von Weinbergen und überragt vom Turm einer mittelalterlichen Festung, unser Ziel, die Stadt Werschetz (VrÅ¡ac). Nach einer Stadtrundfahrt gab uns in der nach neugotischem Stil erbauten katholischen Kirche Organist Lowas eine Kostprobe auf der wohlklingenden Orgel, der größten des Banats.

Wir legten termingerecht am Tag vor dem Gerhardsfest in dieser 1863 dem Heiligen Gerhard geweihten Kirche als Vertreter des St. Gerhards-Werks einen Kranz vor dem Hauptaltar nieder, dessen Stein bei der Konsekrierung angeblich Reliquien der Märtyrer Gerhard, Verecundus und Amandus beigegeben wurden. In der größten römisch-katholischen Kirche Serbiens und der zweitgrößten im ehemaligen Jugoslawien finden sich neben wunderbaren Seitenaltären und Glasmalereien auch eindrucksvolle Darstellungen des Heiligen Gerhard sowie ein Bild, das Jakob Hennemann darstellt, den listenreichen Verteidiger seiner Stadt gegen die Türken. Er täuschte im Jahr 1788 einer 40.000 Mann starken Belagerungsmacht vor, dass die Stadt mit kaiserlichen Truppen angefüllt sei. Das bewerkstelligte er rund einen Monat lang mit lediglich 75 zurückgebliebenen Helfern, davon 70 Deutschen und 5 Serben. Sie erzeugten Lärm und Rauch, inszenierten Wachablösungen und läuteten fleißig die Glocken. Verzagt zog das gewaltige Türkenheer schließlich ab.

Gewiss wegen ihrer anregenden Lage und ihres einst weithin exportierten Weins hat Werschetz eine Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten hervorgebracht, zu denen etwa der Lustspieldichter Jovan Sterija Popović (1806 –1856) gehört oder Felix Milleker (1858 –1942), seines Zeichens Historiker und Fachautor, Pädagoge und Herausgeber sowie 1882 Gründer und erster Kustos des Stadtmuseums, in das er selbst reiche Sammlungen einbrachte. Das Museum, eines der ältesten der Vojvodina, hat heute in drei Standorten mehr als 300.000 Exponate, überwiegend archäologischer und volkskundlicher Art, aber keine Möglichkeit für eine ständige Ausstellung. Mit Mitteln der EU finden aber derzeit Renovierungsarbeiten statt. Dipl.-Ing. Helga Fischer, Mitglied im St. Gerhardswerk, eine Urenkelin Felix Mil lekers, sie gehörte unserer Reisegruppe an, fragte sich, wo die Sammlungen ihres Urgroßvaters hingekommen sind. Auch Robert Hammerstiel ist ein Sohn dieser Stadt. Als Künstler hat er Weltruhm erlangt. In seinem Buch „Von Ikonen und Ratten“ beschreibt er das grausame Schicksal der unter Tito verfolgten und in Hungerlagern internierten Deutschen.

Ein jüngerer serbischer Autor tut dies ebenfalls, allerdings nicht aufgrund eigener Erfahrung, sondern gestützt auf gründliche Recherchen. Er greift die Massenerschießung von Deutschen 1944 in der Werschetzer Dreilaufergasse auf, beleuchtet ihre Hintergründe und weitet den Blick auf einen durch das Tito-Regime systematisch durchgeführten Völkermord. Der Autor heißt Dragi Bugarci´c (* 1948). Oswald Hartmann, Rudolf Fath und Stefan Teppert trafen ihn im Hotel Srbija, soeben war sein neuer Roman „Dreilaufergasse“ in deutscher Übersetzung im Hartmann Verlag erschienen. Wir konnten das Buch druckfrisch entgegennehmen und besprachen Maßnahmen zur Bekanntmachung dieses sowohl für die serbische wie auch für die deutsche Öffentlichkeit denkwürdigen Werks. Durch seine aufrichtige, vielschichtig gestaltete Wahrheitssuche legt es nämlich ein wichtiges Fundament zur Versöhnung der Völker und hätte es schon wegen seines lange totgeschwiegenen Sujets verdient, Aufsehen zu erregen. Dragi begleitete uns im Bus auch auf einen Abstecher zum serbisch-orthodoxen Kloster Mesić 10 km von Werschetz entfernt, und in die Wein- und Blumenstadt Weißkirchen (Bela Crkva) im Nera-Tal, wo wir die katholische Kirche St. Anna besuchten, äußerlich von blendend weißer und cremefarbener Erscheinung, als wäre sie die Namensgeberin dieser vielleicht schönsten Stadt im serbischen Banat. Auch hier wohnten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs viele Schwaben, es war gut die Hälfte der damals ca. 11.000 Einwohner zählenden Stadtbevölkerung. Aus Weißkirchen stammen übrigens die Dichterin Marie Eugenie delle Grazie (1864 –1931) und der Dichter Bruno Kremling (1889 –1962).

Am nächsten Morgen besuchten wir die für ihre naive Kunst bekannte, hauptsächlich von Slowaken bewohnte Stadt Kovačica im Südbanat. In der 1953 gegründeten Galerie sollen an die 500 Kunstwerke der naiven Malerei von 37 Künstlern zu sehen sein, wegen aktueller Renovierung bekamen wir allerdings nicht einmal ein Zehntel davon zu Gesicht. Zu den bekanntesten Künstlernamen gehört der von Zuzana Chalupova und Ondrej Pilch.

Mit unserer Fremdenführerin Isabela besichtigten wir dann Groß-Betschkerek, heute als achtgrößte Stadt Serbiens und drittgrößte der Vojvodina mit 81.000 Einwohnern das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des serbischen Banats. Groß-Betschkerek wurde 1935 nach König Petjar I. Karadjoerdjević in Petrovgrad, 1946 nach einem Volkshelden des 2. Weltkriegs in Zrenjanin umbenannt. Die Stadt ist katholischer Bischofssitz. Der aus Hodschag stammende Diözesanbischof László Német hat hier seinen Amtssitz. Nachdem er sich schon früher den Donauschwaben zugewandt gezeigt hatte, nahm er im Juli dieses Jahres an der Donauschwäbischen Gelöbniswallfahrt nach Altötting als Hauptzelebrant teil.

In ihrem Zentrum und entlang dem Bega-Kanal besitzt Zrenjanin ein paar schöne historische Bauten. Das auf den ungarischen Jugendstilarchitekten Ödon Lechner zurückgehende, aber zweimal umgebaute Rathaus vermittelt in seinem neubarocken Kern ein wenig vom Glanz der Habsburger. Wir bestaunten auf dem Platz der Freiheit das gewaltige Reiterstandbild für König Peter I. und besuchten die gegenüber stehende katholische Kirche, die 1762 dem Heiligen Nepomuk geweiht und 1864 nach einem Großbrand wieder aufgebaut wurde. Zu Ehren des Hl. Gerhard fand dort gerade eine Messe statt.

Bischof László Német begrüßte eigens die Gäste aus Deutschland und vom St. Gerhards-Werk. Anschließend gingen wir über eine Fußgängerbrücke zur ehemaligen deutschen, am Ufer des Kanals sich erstreckenden Brauerei, um dort ein hervorragendes Mittagessen serviert zu bekommen. Der Nachmittag war einer Kranzniederlegung an der donauschwäbischen Gedenkstätte von Kikinda vorbehalten.

Dieses Ehrenmal entstand als zweites auf serbischem Boden nach dem Vorgänger in Rudolfsgnad, es wurde am 12. Oktober 2002 eingeweiht. Entstanden ist es dank des Engagements von Dr. Peter Binzberger, ein Sohn dieser Stadt im Nordosten der Vojvodina dicht an der rumänischen Grenze, und spendenfreudiger Landsleute. 58 Jahre, nachdem er seine Heimat verlassen musste, bescherte er in einer außerordentlichen Initiative seinen 1.200 bis 1.500 durch brutale Gewalt umgekommenen Mitbürgern einen würdigen Ort der Andacht und leistete dadurch wie auch durch aufklärende Interviews im serbischen Rundfunk und Fernsehen, durch viele Gespräche und Vorträge einen gewichtigen Beitrag zur Ver söhnung. 618 Donauschwaben aus Kikinda ließen in der Folterstätte „Milchhalle“ ihr Leben und wurden in einem anonymen Massengrab beerdigt, darunter auch die Großeltern sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits des in Friedrichshafen lebenden ehemaligen Textilkaufmanns Binzberger. Er ließ den verwüsteten katholischen Eisenbahnfriedhof wieder einfassen, renovieren und begrünen. In der Mitte der Hinterfront wurde das schlichte weiße Kreuz errichtet, davor eine polierte Granitplatte mit der Inschrift „1944 –1948, unseren Landsleuten, den Opfern der Gewalt“ nach einem Entwurf der ebenfalls aus Kikinda stammenden Künstlerin Wera Karl.

Auf den sechs flankierenden Pollern sind jeweils zwei Gemeinden eingemeißelt, weitere Herkunftsorte der Opfer. Ein betonierter Weg führt als Mittelachse zur Gedenkstätte und öffnet sich dort zu einem Vorplatz und einem Ring um das Mahnmal, beide bieten Platz für Trauergäste. Oswald Hartmann erläuterte dort das Zustandekommen dieser Gedenkstätte, bevor Rudolf Fath auf das grausame Schicksal der Kikindaer Opfer einging und Fürbitten sprach. Wir beteten und banden die Schleifen des St. Gerhards-Werks ans Gedenkkreuz. Etwas abseits befindet sich am Friedhofsrand das mit weißen Zinnen eingefriedete und von einem weißen Kreuz überragte Massengrab.

Auf einer Granitplatte davor stehen deutsch, serbisch und ungarisch Worte, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übriglassen:

„Der Leidensweg mehrerer hundert unserer Mitbürger deutscher Volkszugehörigkeit des Lagers „MilchhalleâEUR~ in Kikinda endete 1944 –1947 hier. Mögen die Toten in Frieden ruhen! Die Donauschwaben aus Kikinda und Umgebung“.

Binzberger hat übrigens, wiederum durch eine Spendenaktion, für Wartung und Erhaltung der Gedenkstätten einen Fonds eingerichtet und ihn der röm.-kath. Pfarrgemeinde „St. Franziskus“ in Kikinda anvertraut. Entstehung und Begleitumstände seines Gedenkstätten-Projektes dokumentierte Binzberger in zwei Büchern: „Die Kikindaer donauschwäbische Gedenkstätte“ (2002) und „Deutsche Gedenkstätte Kikinda“ (2005, fünfsprachig). Peter Binzberger gehört mit seinen vielfältigen, in die Öffentlichkeit der alten Heimat wirkenden Kontakte – ähnlich wie Lorenz Baron, Stefan Barth, Helmut Frisch und Robert Lahr – auf deutscher Seite zu den Vorkämpfern für die Versöhnung zwischen den Donauschwaben und den Völkern der Vojvodina, besonders den Serben.

Am Samstag, dem 25. September 2010, reiste unsere Gruppe nach Rudolfsgnad/Knicanin, um der 12. Gedenkfeier für die Opfer des dortigen Massenvernichtungslagers beizuwohnen, dem größten in Tito-Jugoslawien. Auf dem Ortsfriedhof vor der 2001 wieder aufgebauten und mit Gemälden von Robert Hammerstiel geschmückten Kapelle begrüßten die Vorsitzenden ihrer serbischen und deutschen Parallelvereine zur Pflege der Gedenkstätte Radocav Jocić und Lorez Baron die etwa 60 Anwesenden, unter ihnen die Reisegruppe von Oswald Hartmann mit den Teilnehmern des St. Gerhards-Werks. Eigens angereist war auch Volker Lehmann aus Rheinfelden, ein gebürtiger Pantschowaer, ebenfalls Mitglied im St. Gerhards-Werk. Etliche Einwohner Knicanins mit drei Mädchen und drei Jungen in serbischer Tracht nahmen teil. Namens des St. Gerhards-Werks wies Rudolf Fath auf das unverwechselbare Gesicht jedes einzelnen der mindestens 12.000 hier unter so entwürdigenden Umständen zu Tode gekommenen Menschen hin. Fath lobte die friedensstiftende Wirkung der Charta der Heimatvertriebenen, die vor 60 Jahren in Stuttgart unterzeichnet wurde und auf deren Gehalt sich auch die Bekenntnisgeneration der einst Vertriebenen verpflichten müsse.

Die im Freien abgehaltene Eucharistiefeier zelebrierten Erzdechant Jakob Pfeifer aus Hodschag/Odc`´zaci und Msgr. László Gyuris aus Großbetschkerek/ Zrenjanin in deutscher Sprache. Dieser überbrachte die Grüße von Diözesanbischof Dr. László Német. Im Evangelium vom Tage konnte der Prediger Pfarrer Pfeifer bei Lk 16,19 –31 anknüpfen und Parallelen zum Schicksal der hungernden und zu Tode gequälten Donauschwaben in Rudolfsgnad aufzeigen. Wie sich der gequälte, mit Geschwüren bedeckte Lazarus von Hunden seine Wunden lecken ließ, so hätten sich die Donauschwaben in den Lagern, von Ratten umgeben, auch ihre Wunden lecken lassen müssen.

Nach der Eucharistiefeier konnten sich die Trauergäste in der Kapelle ins Kondolenzbuch eintragen und dort Blumengebinde niederlegen. Unter dem Geläut der Friedensglocke begaben sich die Anwesenden zum Massengrab im hinteren Teil des Friedhofs, wo ca. 3.000 Tote ruhen. Erzdechant Jakob Pfeifer sprach ein Gebet und weihte die neuen Gedenktafeln ein.

Auf einem 2006 errichteten Obelisken aus Granit stehen dort in deutscher und serbischer Sprache u.a. die Worte:

HIER RUHEN IN GEWEIHTER ERDE TAUSENDE UNSERER MITBÜRGER DEUTSCHER VOLKSZUGEHÖRIGKEIT DIE DURCH GEWALT HUNGER KRANKHEIT UND KÄLTE IM LAGER RUDOLFSGNAD 1945 –1948 UMGEKOMMEN SIND.

Auch dort wurden Kränze niedergelegt und Lichter entzündet, u. a. vom St. Gerhardswerk. Am Massengrab auf der Teletschka, ein paar Kilometer außerhalb des Ortes, wo ca. 9.000 Donauschwaben verscharrt wurden, gedachte man ebenfalls der Verstorbenen und weihte neue Gedenktafeln ein. Es sprachen Predrag Jeremi´c der Stv. Parlamentspräsident aus der Bezirkshauptstadt Zrenjanin, der Rudolfsgnader Sportbürgermeister Vojislav Mati´c und Lorenz Baron, der seit vielen Jahren engagierte Initiator der Rudolfsgnader Gedenkstätten.