DIE DONAUSCHWABEN IN OBERÖSTERREICH

Unser Kulturreferent, Konsulent Oskar Feldtänzer hat anlässlich der Aufbereitung  von archivierungswürdigem Material über unsere Volksgruppe eine umfassende Übersicht über unsere Zeit in Oberösterreich verfasst, die er als

 "das letzte Kapitel unserer Geschichte bezeichnet".

 Diese  für uns und speziell aber für unsere Nachkommen hochinteressante Niederschrift, mit den Kapiteln

  1. Flüchtlingsströme
  2. Die Kriegsfolgen im besetzten Land
  3. Die für die Flüchtlinge zuständige Stelle 
  4. Die religiöse Betreuung der Flüchtlinge 
  5. Die Vertretungskörper der Flüchtlinge und die Entstehung der Selbsthilfeorganisationen und Landsmannschaften
  6. Das öffentliche Wirken der Donauschwäbischen Landsmannschaft (DSLM), der Zentralstelle (ZBST) und letztlich
  7. Die großen Flüchtlingslager

   Quellenhinweise - weiterführendes Schrifttum:

sollten alle Landsleute gelesen haben. Noch besser: lesen und für die Kinder und Enkelkinder aufbewahren.

1) Flüchtlingsströme

Das Bundesland Oberösterreich sah sich angesichts der großen Flüchtlingsmassen am Kriegsende "geradezu unvorstellbar großen Problemen gegenüber. Die zentrale Lage und die bis Kriegsende noch immer relativ gute Ernährungssituation hatten die Reichsführung veranlasst, riesige Flüchtlingsströme in den "Heimatgau des Führers" zu leiten.

 Der Anteil der Südostdeutschen bzw. der Donauschwaben an diesen Flüchtlingsmassen war erheblich, hatte doch der Verteilerplan der VOMI (Volksdeutsche Mittelstelle, Berlin) für die Aufnahme von Südostdeutschen Flüchtlingen in den vorgesehenen Reichsgauen für den Gau Oberdonau (Oberösterreich) im vierten Quartal 1944 in der ersten Teiltranche  60.000  und in der zweiten noch einmal 20.000 Flüchtlinge vorgesehen.

Der Großteil der donauschwäbischen Flüchtlinge kam aus den volksdeutschen Siedlungsgebieten Kroatiens, zu einem geringeren Teil aus dem rumänischen Banat und Ungarn (vornehmlich aus der südungarischen, später wieder jugoslawischen Batschka).

Da fast alle regulären Ausweichquartiere bereits mit Bombenflüchtlingen, Dienststellen, Lazaretten und Behörden belegt waren, wurden die Südostflüchtlinge hauptsächlich in Privatquartieren bei Landwirten auf dem Lande untergebracht, doch mussten für die Unterbringung auch zahlreiche Schulen, Gasthäuser und ähnliche Gebäude sowie Barackenlager herangezogen werden. 1 "Zusätzlich ließ Gauleiter Eigruber Erdhüttenlager anlegen, primitive Wohngruben mit improvisiertem Dach – und das mitten im Winter!

Als die Flüchtlinge ankamen, fanden sie trotz aller Anstrengungen der zuständigen Behörden und Organisationen (VOMI Volksdeutsche Mittelstelle, NSV Nat.-Soz. Volkswohlfahrt) oft nicht einmal genug Decken und Verpflegung vor, nur ein Teil konnte in menschenwürdigen Quartieren untergebracht werden."2 Als "Mitteilungsblatt für die vorübergehend im Reichsgau Oberdonau untergebrachten deutschen Volksgenossen aus dem Südosten" erschien mit dem Datum vom 12. Dezember 1944 in Linz, dessen erste Folge mit dem Titel "Heimat in Oberdonau", in der Eigruber als Gauleiter und Reichsstadthalter "alle Volksgenossen aus dem Südosten herzlich willkommen" hieß und weiter ausführte, "ich erwarte von Euch, dass ihr mit doppeltem Fleiß an die Arbeit geht ... helft unseren Bauern, die Ernährung unserer Soldaten und Arbeiter zu sichern, stellt Eure Pferde zu jeder Stunde zum Transport zur Verfügung"3.

Obwohl Hitler noch am 28. April den Befehl zum Ausbau der "Kernfestung Alpen" gab, die auch Teile Oberösterreichs mit einschloss und der eine "Voralpenstellung" vorgelagert sein sollte, hatten die von Regensburg vorstoßenden Amerikaner bereits am 26. April 1945 die oberösterreichische Grenze erreicht, von wo sie nach den abgeschlossenen Demarkationsverhandlungen zwischen Eisenhower und Stalin am 29. April in Oberösterreich einmarschierten und innerhalb einer Woche das ganze Land mit Ausnahme von Teilen des östlichen Mühlviertels besetzten.4

2) Die Kriegsfolgen im besetzten Land

Unmittelbar nach Kriegsende befanden sich nach einer Zusammenfassung von Maximilian Kraus volksdeutsche Flüchtlinge aus folgenden Herkunftsländern in Oberösterreich (in gerundeten Zahlen)5:

  •   40.300  -  Volksdeutsche aus der C.S.R.: Sudetendeutsche und Slowakeideutsche
  •   46.500  -  Volksdeutsche aus Jugoslawien
  •   29.800  -  Volksdeutsche aus Rumänien: Banater Schwaben, Bessarabiendeutsche, Bukowinadeutsche u. Siebenbürger Sachsen
  •   30.500  -  Volksdeutsche aus Ungarn
  •     6.000  -  Aus anderen Ländern
  • -----------------------------------------------------------------------------------------------
  • 153.100  -  Zusammen

Ein großer Teil der damals im Land befindlichen Sudeten- und Ungarndeutschen wurden gemäß den Bestimmungen des Protokolls von Potsdam nach Deutschland verbracht.

Die Wirtschaft des Landes lag völlig danieder, es war gekennzeichnet von Schutt und Trümmern, Hungersnot, Obdachlosigkeit, Energiemangel, von den Besatzungssoldaten, den vielen Flüchtlingen, von denen sich besonders jene deutscher Muttersprache in einer ungewissen, rechtlosen und scheinbar hoffnungslosen Lage befanden. Dieser Zustand geht deutlich aus einer schriftlichen Eingabe an den ersten Nachkriegslandeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Adolf Eigl, über die Lage der donauschwäbischen volksdeutschen Flüchtlinge aus Jugoslawien hervor, die vom langjährigen (1923 bis 1938) parlamentarischen Vertreter der deutschen Volksgruppe in Vorkriegsjugoslawien, der Stefan Kraft, verfasst und dem Landeshauptmann am 15.6.1945 übergeben wurde. Die Eingabe trägt die Überschrift "Bericht über die Lage der evakuierten Siedlungsdeutschen aus Jugoslawien und Bitte um Schutz"6. Offenbar wollte in der damaligen Situation Dr. Kraft die als Relikt des Nationalsozialismus angesehene und damals noch belastete Bezeichnung "Volksdeutsche" vermeiden, die später von der österreichischen Gesetzgebung bedenkenlos verwendet wurde. Dr. Kraft stellte sich in der Einleitung vor und spricht von der "schwer bedrängten Lage dieser heimatlos gewordenen (schwäbischen) Kolonisten aus dem Südosten. Darauf folgen einige Eckdaten über die von den deutschen militärischen Stellen im Herbst 1944 evakuierten Südostdeutschen und deren Unterbringung in den verschiedenen österreichischen Bundesländern und in Deutschland. Durch die spätere militärische Entwicklung habe sich später eine Verdichtung der donauschwäbischen Flüchtlinge in Oberösterreich ergeben, die hier auch als "Banatdeutsche" oder "Banater" bezeichnet wurden. Dr. Kraft präzisiert dann seine Angaben dahingehend, dass "in Oberösterreich etwa 50-60.000 deutsche Siedler aus dem Südosten, hauptsächlich aus Jugoslawien" untergebracht wurden, "weitaus überwiegend auf Bauernhöfen auf dem Lande, wo sie an den landwirtschaftlichen Arbeiten regen Anteil nehmen". Sie seien als tüchtige und fleißige Landwirte bekannt, die es nach ihrer Ansiedlung nach der Türkenzeit im 18. JH in ihren Siedlungsgebieten an der mittleren Donau zu Wohlstand gebracht und auch dem verödeten Land wieder zu einer gedeihlichen Entwicklung verholfen hatten.

"Infolge der meist überstürzten Evakuierung, für die oft nur wenige Stunden zur Verfügung standen, konnten sie jedoch beim Verlassen ihrer Heimatorte im Herbst 1944 in der Regel nur das allernotwendigste an Kleidern, Wäsche und Lebensmitteln zusammenraffen, oft auch das nicht, oder es ging unterwegs verloren, so dass die Evakuierten heute nach 8 – 9 Monaten des Verbrauches und Verschleißes in ihren jetzigen Aufenthaltsorten fast ohne Ausnahme bettelarm dastehen." 

Im Anschluss daran macht Dr. Kraft einige interessante Angaben über die aus dem Besitz der Flüchtlinge stammenden Geld- und Sachwerte, indem er darauf hinweist, dass ihr Barvermögen "durch sträfliche Nachlässigkeit und Saumseligkeit der mit der wirtschaftlichen Evakuierung betrauten Stellen" verloren ging, denen diese Barschaften anvertraut waren. "Das gilt namentlich für die aus Kroatien evakuierten schwäbischen Siedler und insbesondere auch für die tausende und abertausende von Stück Vieh, hunderte Waggons Getreide, Fett, Ölfrüchte und Industriewaren, die durch die Evakuierungskommandos und Stellen aus den evakuierten deutschen Siedlungen Kroatiens vornehmlich nach Österreich (Wien, Graz, Linz) geschafft wurden und die bis heute unverrechnet und unbezahlt blieben. Sollte es dabei verbleiben, wäre das das schwerste Unrecht an den heimat- und hilflosen schwäbischen Kolonisten, die all ihre Habe, die Frucht einer zweihundertjährigen zivilisatorischen Arbeit, die ganz Europa zugute kommt, verloren haben und vor dem Nichts stehen. Abhilfe wäre noch immer möglich und "ich werde mir daher erlauben, über diese Frage einen besonderen Bericht mit den entsprechenden Vorschlägen zu überreichen", erklärt Kraft in seiner Bitt- und Denkschrift.

In einer nüchternen Analyse untersucht sodann Dr. Kraft die politische Lage seines heimatlos gewordenen Völkchens, in der alten Heimat und in den Aufnahmegebieten der Flüchtlinge sowie ihre Zukunftsperspektiven, vor allem die Bedingungen der möglichen Alternativen.

  • a)  für die Rückkehr in die Heimatgebiete
  • b)  für das Verbleiben in den gegenwärtigen Aufenthaltsorten, namentlich Österreich
  • c)  Für die Gründung einer neuen Heimat in Übersee

 

Die völlig ungewisse Zukunft, die zunächst totale Perspektivlosigkeit lastete in jenen Tagen und Wochen wie ein Albdruck auf den Gemütern der betroffenen Menschen. Diese psychische Belastung der Heimatlosen war auf die Spitze getrieben worden durch einen Artikel des in Salzburg erscheinenden "Österreichischen Kuriers" vom 30.5.1945, der in Oberösterreich die Zusammenfassung der Geflüchteten in Ausländerlagern zwecks Abschiebung in ihre ehemalige Heimatgebiete ankündigte.

Diese Nachricht erfüllte besonders die aus jugoslawischen Gebieten stammenden Flüchtlinge mit drückender Sorge, da angesichts der politischen Verhältnisse in Jugoslawien für die Rückkehrer schlimme Repressalien befürchtet werden mussten. Kraft appelliert an den Landeshauptmann: "Man werde sie doch wohl nicht zwingen, in ein Land zurückzukehren, das sie nicht haben will und in dem ihnen schwerste Gefahren drohen".

 

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Nachrichten in den Westen gelangt, die von der totalen Enteignung und der brutalen Verfolgung der im Land verbliebenen Menschen der deutschen Volksgruppe durch das Partisanenregime Titos berichteten. Da Kraft vermutete, dass die Absicht der oberösterreichischen Exekutive, die Jugoslawiendeutschen abzuschieben, durch die prekäre Ernährungslage des Landes motiviert war, wiederholt er seine Feststellung, "dass die deutsch sprechenden Flüchtlinge an der Nahrungsmittelproduktion in der Landwirtschaft wirksam mitarbeiten. Auch sind bei ihrer Evakuierung von den Evakuierungskommandos aus ihren Heimatgemeinden tausende Stück Rinder und Schweine sowie erhebliche Mengen Fett, Getreide usw. nach Österreich, vornehmlich Graz, Wien und Linz abtransportiert und der Volksernährung zugeführt worden, wodurch die Belastung, die ihre bisherige Ernährung für das Land darstellte, wesentlich verringert wurde".

 

Gemäß den bereits dargelegten Gründen schließt Dr. Kraft in seiner Analyse die Möglichkeit der Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatgebiete in Jugoslawien zum damaligen Zeitpunkt aus. Ihre Notlage umreißt er mit folgenden Worten: "Wir sind in Wirklichkeit schon heute ein völlig isoliertes, schutz- und heimatloses Volk. Kein anderes Element befindet sich in einer so verlassenen, hilflosen Lage, wie wir ... Wo sollen nun aber wir Verlassene und Hilflose Verständnis und Anlehnung und wenigstens vorläufige Zuflucht wie Schutz suchen, wenn nicht bei Österreich".

Seine Hoffnung auf Hilfe von dieser Seite begründet er mit einem Rückblick auf die österreichische Geschichte, deren Produkt sein heimatlos gewordenes Völkchen seit seiner Ansiedlung nach den Türkenkriegen durch österreichische Herrscher eigentlich sei. Diese Ansiedler hätten aber schon seit anderthalb Jahrhunderten die Verbindung zu ihren westdeutschen Herkunftsländern verloren, Österreich sei aber zu ihrer eigentlichen geistigen Heimat geworden, vor allem durch die vielfältigen geistigen und kulturellen Bande mit der Metropole Wien.

Diese habe dann auch ihren Niederschlag gefunden in der Solidariatät der schwäbischen Kolonisten mit der Not leidenden Bevölkerung Österreichs und namentlich Wiens, als in den Not- und Hungerjahren 1916 – 18 und besonders nach 1918, wo durch die Hilfsbereitschaft der schwäbischen Dörfer in der Batschka, dem Banat und Syrmien mit Lebensmittellieferungen und die Aufnahme von Kindern die arge Not gemildert werden konnte.

Dr. Stefan Kraft hatte sich in den Nachkriegsjahren als deutscher Fraktionsführer im Belgrader Parlament persönlich beim jugoslawischen Ministerpräsident Pašić die Bewilligung dieser Hilfsaktion erwirkt. "Das Ergebnis gestattete dem Hilfsausschuss, für tausende Kinder und Greise in Deutschland und Österreich, vornehmlich in Wien rund 130 Waggon Mehl, Speck und Fett vergütungs- und frachtfrei zur Verfügung zu stellen".

 

Dr. Kraft hoffte deshalb in der gegebenen Lage auf die Solidarität und Hilfsbereitschaft der österreichschen Regierungsstellen: "Wenn unsere Leute, die 'Banatdeutschen', wie der Volksmund sie hier nennt, auch manches harte und bittere Wort und manche Kränkung von ihren Wirten hinnehmen müssen, wie den so ungerechten Vorwurf: "Warum seid ihr nicht geblieben, wo ihr wart?"; wenn wir auch Zurücksetzungen und selbst Beschimpfungen vor und in den Kaufläden und Lebensmittelverteilungsstellen erfahren müssen, wenn Nachrichten einlaufen, dass in manchen Bezirken die Ortsbürgermeister unsere Leute zum Verlassen der Ortschaft auffordern – so in vier Ortschaften des Bezirkes Freistadt – dass aber dennoch bereits zahlreiche schwäbische Familien hilflos auf der Strasse liegen; wenn berichtet wird, dass der Abtransport schwäbischer Evakuierter in den Kreisen Freistadt, Ried und Braunau in Ausländerlager bereits begonnen habe und der Anstoß dazu meist von den Ortsbehörden ausgegangen sei, so wollen und können wir nicht glauben, dass nicht wenigstens die österreichische Bildungsschicht Verständnis für unsere verzweifelte Lage hätte und nicht bereit wäre, zu unserem Schutz auf die eigene Bevölkerung aufklärend einzuwirken und sich auch bei den amerikanischen Besatzungsbehörden für Verständnis und Schutz zugunsten unseres heimatlosen Volks einzusetzen.

Wir verlangen gewiss nichts unmögliches, wenn wir um weitere Zuflucht, d. h. Belassung an den derzeitigen Unterbringungsorten und Verpflegung in der bisherigen Weise bis zu einer für uns erträglichen Lösung bitten. Dr. Kraft äußert sodann seine Überzeugung, dass sich der Einbau der von ihm vertretenen Menschen in die österreichische Wirtschaft zum beidseitigen Nutzen auswirken und sich bald als ein im öffentlichen Interesse des Staates liegendes Vorhaben erweisen werde. Sollte das aber nicht gelingen, "dann verbliebe uns nur noch die Möglichkeit eines Versuches, uns eine Heimatstätte irgendwo in Übersee zu errichten".

 

 

3) Die für die Flüchtlinge zuständige Stelle

Hatten sich die vier Besatzungsmächte in Österreich gemäß Artikel 5 des Kontrollabkommens zunächst die Oberaufsicht für das Flüchtlingswesen vorbehalten (es bestand eine DP-Sektion der amerikanischen Militärregierung), so ging die Verantwortung für diesen Personenkreis am 15.1.1946 mit der Schaffung eines Amtes für Umsiedlung im Innenministerium (U12) endgültig in die Zuständigkeit der österreichischen Bundesregierung über. In Oberösterreich wurde bereits am 1.10.1945 eine Abteilung für Umsiedlung der damaligen Landeshauptmannschaft errichtet, die mit dem DP-Office der Militärregierung (C.I.C., DP. Sektion) eng zusammenarbeitete.

Als Leiter der Abteilung Umsiedlung beim Amt der OÖ Landesregierung wirkte Major a. D., w. Amtsrat Max. Kraus, der nach Auflösung der Abteilung einen umfangreichen Rechenschaftsbericht von über 120 Seiten "Das Flüchtlingsproblem in Oberösterreich (1945 – 1963)" mit 9 statistischen und graphischen Übersichten verfasste.7

Kraus war außerdem in den Jahren 1952 – 1954 auf Grund seiner Fachkenntnisse als stellvertretender Direktor des Zwischenstaatlichen Komitees für europäische Auswanderung I.C.E.M. (Verbindungsmission für Österreich) in Wien tätig. Zu der Gruppe der Flüchtlinge, von der man annahm, dass sie voraussichtlich weder für eine Rückkehr in die Heimat noch für eine Auswanderung in Frage kam, zählten alle volksdeutschen Flüchtlinge und somit auch die Gruppe der Donauschwaben.

1946 schätzte man, dass etwa 60.000 – 70.000 deutschsprachige Flüchtlinge endgültig in Oberösterreich verbleiben würden, in Wirklichkeit wurde diese Annahme um etwa das Doppelte übertroffen und die Gesamtzahl von ca. 120.000 endgültig in Oberösterreich Verbliebenen erreicht.

Fast alle Volksdeutschen waren im Arbeitsprozess eingegliedert, für 1946 gibt Kraus die Berufssparten an, in denen sie beschäftigt waren:

  •  in der Landwirtschaft                      42    %
  • in der Industrie und im Gewerbe      48    %
  • im Angestelltensektor                        6,6  %
  • in den freien Berufen                         3,4  %

Der Großteil der Flüchtlinge lebte in den Not- und Massenquartieren, die sie bei ihrer Ankunft bezogen hatten. Mehr als 100.000 Flüchtlinge hausten in über 100 Lagern, es waren meist aufgelassene Kriegsgefangenenlager oder Arbeitslager stillgelegter Rüstungsbetriebe. Ab Oktober 1946 wurde eine klare Trennung im Sinne vorgenommen, dass die Lager mit Angehörigen der alliierten DP's und Juden in die alleinige Verwaltung der UNRRA und ab 1947 der IRO übergingen, wogegen die Lager mit den Volksdeutschen ab Juni 1946 von der österreichischen Verwaltung übernommen wurden.

Die Verwaltung der Lager lehnte sich an die Struktur der Verwaltung einer kleinen Gemeinde an, doch gestaltete sich das Zusammenleben infolge der Unzulänglichkeiten des Lagerdaseins schwierig.

Entsprechend einem Gemeindeamt gab es "Siedlungsführung" und entsprechend einem Gemeinderat einen "Siedlungsrat". In einigen größeren dieser "Wohnsiedlungen" gab es gewisse soziale Einrichtungen: in 15 Kindergärten, in 10 Schulen, in 6 Gemeinschaftsküchen, in 26 Krankenordinationen, zahlreiche Werkstätten und über 200 Kaufläden und Gewerbebetriebe. Im Laufe der Zeit entstanden mehrere Sport-  und Gemeinschaftsräume (Tanzsäle). Für die religiöse Betreuung standen 15 Kirchen behelfsweise in Holzbaracken zur Verfügung.

Für die Erhaltung und Verwaltung der Lager betrug der staatliche Aufwand für ganz Österreich in den Jahren 1945 – 55 rund 3 Milliarden Schilling, also etwa 300 Millionen jährlich. Das war allerdings kein Verlustgeschäft für die österreichische Volkswirtschaft, eher das Gegenteil, denn die Einnahmen aus den Barackenmieten, den direkten und indirekten Steuern, die zu entrichten waren sowie die Wertschöpfung aus der Produktionsarbeit der Flüchtlinge überstiegen diese verhältnismäßig geringen Aufwände des Staates um ein Vielfaches.8 Die Heimatvertriebenen stellten also für Österreich keine Belastung, sondern einen erheblichen Aktivposten dar.

Die Bemühungen des Amtes Umsiedlung waren darauf ausgerichtet, die desolaten Lebensbedingungen in den Lagern laufend zu verbessern, andererseits aber auch darauf, diese Lager allmählich aufzulösen. Die Wohnfläche je nach Insasse konnte von ursprünglich 3 – 4 m2 auf 8 m2 erhöht werden. Die Zahl der Lager wurde von 100 im Jahre 1945 mit 100.00 Insassen bis 1954 auf 44 Lager mit rund 24.000 Insassen verringert, trotz der gerade in Oberösterreich allgemein akuten Wohnungsnot und trotz eines fortwährend starken Zuzuges infolge Familienzusammenführung und der Zunahme der Lagerbevölkerung durch Geburtenüberschuss, der bei den Lagerbewohnern 3 – 4 mal so stark war, wie bei der bodenständigen Bevölkerung.9

Eine Aufstellung der Abteilung Umsiedlung über die "Volksgruppenzugehörigkeit volksdeutscher Flüchtlinge in Oberösterreich südl. der Donau am 1. Juli 1949" gibt die Anzahl der aus donauschwäbischen Herkunftsgebieten stammenden Personen wie folgt an10:

  • Rum. Banat                                          10.452
  • Jug. Banat                                            13.741
  • Jug. Batschka                                       10.851
  • Slawonien, Syrmien, Bosnien u. a.       29.461
  • Ung. Batschka, Ung. Banat                       367

Das waren insgesamt 64.872 Personen dieser Gruppe für die es Möglichkeiten zur Abwanderung in andere europäische oder Überseeländer erst ab 1948 gab11.

Die erste größere Auswanderungsmöglichkeit ergab sich durch eine Aktion der französischen Regierung, die im Dezember des Jahres 1948 anlief. Da bei der Ansiedlung der Donauschwaben im 18. Jahrhundert eine beträchtliche Zahl der Kolonisten aus Lothringen und dem Elsaß kamen, wurde von volksdeutschen Heimatvertriebenen ein "Comité des Francais du Banat" gegründet, dessen Regionalkomitee Linz zusammen mit dem Amt der OÖ Landesregierung die Auswanderung nach Frankreich in die Wege leitete. In der DP-Siedlung 65, Linz-Niedernhart wurde eine acht Baracken umfassendes Durchgangslager für diese Banater errichtet, in dem die französische Mission für Österreich und das "Comité" ihre Arbeitsräume hatten. 1948/49 wurden durch diese Aktion 37 Transporte mit über 5.000 Personen aus Oberösterreich nach Frankreich geführt, die dort diasporaartig in verschiedenen Landesteilen in den Arbeitsprozess eingegliedert wurden. Nur in La Roques sur Pernes (Provence) entstand eine geschlossene dörfliche Siedlung.

Im Rahmen der sogenannten "Brasilienaktion", die von der Schweizer Europahilfe organisiert wurde, wanderten 1951/52 mit fünf Transporten 500 donauschwäbische Familien mit rund 2.500 Personen nach Brasilien aus und gründeten in Entre Rios im Staate Parana fünf Dörfer.

Ein begehrtes Auswanderungsziel waren die USA. Vom 19. bis 21. September 1949 weilte im Rahmen seiner europäischen Studienreise ein Komitee des amerikanischen Kongresses auch in der amerikanischen Zone in Österreich, um sich über das volksdeutsche Flüchtlingsproblem zu informieren und besuchte das Flüchtlingsheim Neukirchen bei Lambach. Die Einwanderung von Volksdeutschen und Flüchtlingen in die USA unterlag den Bestimmungen des amerikanischen Einwanderungsgesetzes des Jahres 1948, das die Einwanderung von 215.000 Personen vorsah. Mit der Novelle zu diesem Gesetz vom 16.6.1950 wurde der Rahmen auf 415.000 Personen erweitert und auch die Einwanderung von 54.000 Volksdeutschen aus Österreich und Deutschland ermöglicht. Im Zuge dieser Aktion konnten aus Oberösterreich rund 7.500 Volksdeutsche nach Amerika gelangen. Voraussetzung waren Bürgschaftserklärungen von Verwandten oder Freunden der in Österreich lebenden Flüchtlinge, die hatten im Bedarfsfalle für deren Unterhalt aufzukommen12.

Alle die Aktionen, so gut sie auch gemeint waren, zeigten jedoch, dass damit eine Lösung des Flüchtlingsproblems nicht herbeizuführen war. Es wurde immer deutlicher, dass eine Lösung nur durch Integration der großen Masse der Heimatvertriebenen durch arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung und staatsbürgerliche Eingliederung zu erreichen war.

4) Die religiöse Betreuung der volksdeutschen Flüchtlinge

In einem Bericht über die religiös-seelsorgliche Lage der Heimatvertriebenen in Oberösterreich13 (undatiert, vermutlich aus dem Jahre 1952) wird festgestellt, dass zum damaligen Zeitpunkt 23.000 katholische Heimatvertriebene in oberösterreichischen Lagern lebten. Nur in einigen größeren Lagern konnten eigene Seelsorgeorganisationen der Flüchtlingsseelsorge der Diözese Linz errichtet werden, uzw.

Lager  65      in Linz-Niedernhart

Lager  59      in St. Martin bei Traun

Lager 121     in Haid bei Ansfelden

Lager 50/53 (nur excurrendo) in Linz, Eisenwerke

Lager 55      (nur excurrendo) in Linz, Spallerhof

Lager 1010, 1012 und 1015 in Stadl-Paura bei Lambach

 

Die in Privatquartieren untergebrachten Flüchtlinge sowie jene der übrigen Lager gehörten zur jeweiligen Pfarrei, auf deren Gebiet sie sich befanden. Für diesen Teil der Heimatvertriebenen stellt der Bericht fest, dass dort, wo sich die Pfarrseelsorger um die Lagerleute kümmern, sie im Lager hie und da besuchen, die religiöse Situation tragbar sei, oft sogar gut. (Gut betreut war das Altersheim bei Lambach und die DP-Lungenheilanstalt Thalham in St Georgen i. A., hebt der Bericht hervor).

Im allgemeinen sei aber ein Schwund der religiöse Substanz zu erkennen und es werden die mutmaßlichen Gründe angeführt, die vornehmlich in der Entwurzelung der Vertriebenen Situation, der Auflösung der Dorfgemeinschaften und im kirchenfeindlichen Milieu des Arbeitsplatzes geortet werden, aber auch in Versäumnissen der Seelsorge selbst. Der Bericht wörtlich: „Der stärkste religiöse Versager der einheimischen Seelsorge war der Mangel an Mut, die Vertriebenen und Geplünderten im Angesicht der Einheimischen als notleidende Christenmenschen zu kennzeichnen und zum Samariterdienst aufzurufen“.

Die Leitung der volksdeutschen Flüchtlingsseelsorge der Diözese Linz und das Referat für Flüchtlingshilfe des Caritasverbandes Linz wurde zu Allerheiligen 1947 dem aus Hodschag in der Batschka stammenden Priester Prof. Josef Haltmayer übertragen, der nach seiner Flucht im Jahre 1944 in Linz zunächst als Religionslehrer an der staatlichen Handelsakademie von 1945 bis 1948 gewirkt hatte.

Der Schwerpunkt seines Einsatzes verlagerte sich von den vorerst vornehmlich karitativen Hilfsaktionen der ärgsten Notzeit alsbald auf die Einrichtung und Betreuung der Lagerseelsorgestellen. In dieser Zeit gab Haltmayer als Beilage zu den Kirchenblättern der österreichischen Diözesen die "Heimatglocken" für katholische Flüchtlinge heraus.

Für die Flüchtlinge, die ohne persönliche Dokumente dastanden, schuf er die Möglichkeit für die Ausstellung von Ersatzdokumenten. Von 1948 bis Mitte 1965 waren es 37.824 an der Zahl.

Als am Beginn der 50-iger Jahre die Errichtung von Eigenheimen durch die Flüchtlinge möglich wurde, setzte er sich dafür mit Nachdruck und Erfolg durch die Beschaffung von Baugrund und Krediten ein. Nähere Angaben über das beachtliche Ausmaß dieser seiner Aktion liefert der Aufsatz von Georg Wildmann "Prälat Haltmayer 70 Jahre alt".14

5) Die Vertreterkörper der Flüchtlinge und die Entstehung der Selbsthilfeorganisationen der Landsmannschaften

Die von der Militärregierung unmittelbar nach Kriegsende in jedem Bezirk eingerichteten Information Center für DPs wurden nach dem Übergang der Zuständigkeit für das Flüchtlingswesen auf die österreichische Regierung in Oberösterreich der Abteilung Umsiedlung der Landesregierung unterstellt und die "Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen" Landesstelle Linz (ZBST) geschaffen, die auch über ihre Bezirksstellen agierte.

Die Zentralberatungsstelle übte eine beratende Funktion für die zuständigen amtlichen Dienststellen aus und sollte ihre volksdeutschen Landsleute in den sie betreffenden sozialen und rechtlichen Belangen beraten. Ihre amtliche Fundierung erhielt sie aufgrund des Erlasses des Bundesministeriums für Inneres vom 15.3.1949, Zl. 43.997-12/U/49 und des Erlasses der OÖLR vom 25.5.1949, Ums. Z. 49/15-1949.

Die Funktionäre übten ihre Tätigkeit zunächst ehrenamtlich aus, erhielten aber nach einer Gewährung einer Subvention durch die Landesregierung eine bescheidene Aufwandsentschädigung.15

Das Statut der Landesstelle Oberösterreich der ZBST, deren Sitz sich in Linz zunächst in der Seilerstätte 14 und später in der Goethestr. 53 befand, sah innerhalb ihrer Struktur die Bildung von Landsmannschaften vor, deren Dachorganisation sie war.

Die Landsmannschaft der Donauschwaben konnte 14 Vertreter in den 26-köpfigen Landesausschuss, das oberste Organ der ZBST, delegieren. Als Vorsitzender der Fraktion Landsmannschaften der Donauschwaben und als deren Geschäftsführer wirkte zuerst Matthias Giljum, ehemaliger Bundessekretär des Schwäbisch-deutschen Kulturbundes in Jugoslawien.

Da Matthias Giljum im September 1951 nach Brasilien auswanderte, legte er am 2.September 1951 vor dem Landesausschuss und den Bezirksleitern seine Stelle als Vorsitzender der Donauschwäbischen Landsmannschaft in der ZBST nieder. An seiner Stelle wurde als Vorsitzender Dr. Fritz Klingler und als Geschäftsführer Dr. Hans Moser gewählt.16

Am 2. Sept.1951 fand zugleich die Gründung des "Schwabenverein – Hilfsverein der Donauschwaben in Oberösterreich" auf vereinsrechtlicher Grundlage statt, der aber nach einigen Jahren die Bezeichnung "Donauschwäbische Landsmannschaft – Hilfsverein der Donauschwaben in Oberösterreich" führte.

Die Genehmigung zur Gründung des „Schwabenvereins“ erfolgte unter Sid Verf Nr. 566/1-1951 durch die Sicherheitsdirektion für OÖ.

Zum Obmann des „Schwabenvereins“ wurde Dr. Fritz Klingler und zum Obmann-Stellvertreter Dr. Hans Moser gewählt, also die gleichen Personen wie bei der Donauschwäbischen Landsmannschaft der ZBST.17

Der „Aufgabenkreis“ bzw. die Tätigkeit der ZBST ist sowohl im genannten Erlass der O.Ö. Landesregierung als auch im Statut der Zentralberatungsstelle, genehmigt in der Regierungssitzung der O.Ö. Landesregierung vom 6.3.1950, Ums. 568/9-M7Be/1950, umrissen:

  • a)  "das Amt der OÖLR in allen die Volksdeutschen betreffenden Fragen zu beraten und die OÖLR  bei allen von ihr durchzuführenden Maßnahmen für Volksdeutsche zu unterstützen ;
  • b)  die Beratung, Betreuung und Unterstützung der volksdeutschen Heimatvertriebenen in allen ihren rechtlichen, kulturellen, religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Belangen wahrzunehmen".18

Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Inneres 96.820 – 12 U/52 vom 28. Juni 1952 war  am 31. März 1952 in der 6. Sitzung des Beirates für Flüchtlingsfragen die Umwandlung der "Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen" in Wien in ein "Sekretariat des Beirates für Flüchtlingsfragen" beschlossen worden, so dass die Agenden der Zentralberatungsstelle Wien ab 1.7.1952 restlos vom Sekretariat des Beirates für Flüchtlingsfragen besorgt wurden.19

In Oberösterreich konnte die ZBST ihre Tätigkeit aber noch bis in die 60-iger Jahre fortsetzen, da die Subventionen der OÖLR ihr eine gewisse Eigenständigkeit und einen Weiterbestand ermöglichten.

6) Das öffentliche Wirken der Donauschwäbischen Landsmannschaft (DSLM) der Zentralberatungsstelle (ZBST)

Die Leitung DSLM erkannte, dass die arbeitsrechtliche und staatsbürgerliche Gleichstellung sowie die Eingliederung in das Gemeinwesen ihres Aufnahmelandes nur zu erreichen war, wenn die öffentliche Meinung für die Probleme und Anliegen der Heimatvertriebenen sensibilisiert und durch ausreichende Information und Aufklärung ein Klima des Verständnisses und des Vertrauens zwischen den Einheimischen und den Heimatvertriebenen geschaffen wird.

Um auf sich, ihre Lebensfragen und Anliegen aufmerksam zu machen, entschloss sich die DSLM einen "Tag der Donauschwaben" im August 1950 als Heimattreffen auf Bundesebene in Linz zu veranstalten. Die Organisation und die Werbung lag in den Händen von Matthias Giljum. Über 20.000 Donauschwaben aus ganz Österreich und der BRD waren nach Linz gekommen, um für ihr Anliegen bei dieser Kundgebung einzutreten. Nach dem von Prof. Haltmayer zelebrierten Gottesdienst sprachen auf der Kundgebung Spitzenvertreter der Donauschwaben aus Österreich (Dr. Goldschmidt und Dr. Klingler; Matthias Giljum hatte polizeiliches Redeverbot) und Deutschland (Dr. Trischler und Dr. Leber). Dr. Stefan Kraft`s Ansprache musste leider wegen seiner Erkrankung entfallen. 2o

Am 11. -12. September 1954 fand in Linz der "Tag der Heimatvertriebenen" statt, der von den volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (Donauschwaben, Sudetendeutsche, Siebenbürger Sachsen, Karpatendeutsche) gemeinsam getragen wurde.

Diese Demonstration, die die Forderung der Vertriebenen und rechtliche Gleichstellung für ihre volle sozialrechtliche und staatsbürgerliche Eingliederung in die österreichische Gesellschaft öffentlich herausstellten, verfehlten nicht den gewünschten Eindruck bei der einheimischen Bevölkerung, so dass sich allmählich ein Gesinnungswandel vollzog, den auch die politisch Verantwortlichen nicht mehr ignorieren konnten, und den Gesetzgeber veranlasste, mit der sukzessiven Beschließung von Gleichstellungsgesetzen der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen. Symptomatisch dafür war auch der erste und zweite Hungerstreik des Herbert Cieslar im Volksgarten von Linz im Jahre 1950, mit dem er mit Nachdruck für die Gleichberechtigung der Vertriebenen eintrat.

7) Die großen Flüchtlingslager

Das Wohnlager 121 – Haid bei Ansfelden

Das größte und volkreichste der oberösterreichischen Flüchtlingslager war jenes in Haid, Gemeinde Ansfelden.

Nach 1945 hatte es die amtliche Bezeichnung DP Siedlung 121, Haid. In den Jahren 1940 bis 1942 wurden dort für die Arbeiter der Reichsautobahn über 162 Baracken aufgestellt. Bald musste jedoch der Bau der Autobahn eingestellt werden.

Am 5. und 6. Dezember 1946 wurden die ersten Heimatvertriebenen in das Barackenlager Haid eingewiesen.

Am 15. August 1947 kam der in Neu-Palanka (Batschka) geborene Priester Paul Wagner als kath. Lagerseelsorger nach Haid, wo er bis zu seinem Tod im August 1989 lebte.

1947 wird eine Herrenkleider- und eine Baumaschinenfabrik im Lager gegründet.

1948: Errichtung eines Kindergartens, in der Volksschule unterrichten 22 Lehrkräfte 900 Schülerinnen und Schüler, Errichtung eines Textilwerkes durch Maximilian Tremer KG mit eigenen Mitteln.

1949: im Januar Gründung einer Musikschule im Lager, im Frühjahr Beginn der Auswanderung, Schaffung eines Gottesdienstraumes für die evangelische Glaubensgemeinde (Frau Vikarin Dr. Margarethe Hoffer aus Graz betreut die evangelischen Gläubigen). Erster Konzert- und Dichterabend., am 15. August erstes Kirchweihfest im Lager Haid nach altem heimatlichen Brauchtum.

1951: nach Angaben der Siedlungsleitung lebten im Lager am 31. Dezember 4.251 Menschen in 1.440 Haushalten.

1953: Im Rahmen der kath. Arbeiterjugend entsteht der Fußballverein "KJ Union Haid". Errichtung eines Mahnmals zum Gedenken für die "Toten im Schoße der Heimat und Fremde" und dessen Enthüllung am 11. November durch den Bürgermeister von Linz, Dr. Ernst Koref.

1960: Kath. Lagerseelsorgestelle wird eigene Pfarre.

1964: Die Wohnsiedlung Lager Haid geht in die Verwaltung der Gemeinde Ansfelden über. Die ds. Zeitung Neuland berichtet in ihrer Ausgabe vom 7.7.1962 über eine vom britischen Berichterstatter Conrad Wilson verfasste Bildreportage in der Zeitung "The Scotsman" über die Wohnsiedlung Haid. Die Siedlung Haid wird, so heißt es in dem Bericht, in die Geschichte eingehen, denn es war einmal das größte Flüchtlingslager in Österreich und ist heute die größte Flüchtlingskolonie Europas. Mit den Worten "Das Lager Haid war neben dem Salzburger Rosittenlager und mehreren Großlagern im Wiener Raum das größte Volksdeutschen-Lager der Nachkriegszeit. Mit staatlicher und internationaler Hilfe und in letzter Zeit auch mit Zuwendungen der BRD konnte das Lager aufgelöst und die Insassen in zeitgemäßen Wohnungen untergebracht werden. Das einstige Barackenlager ist einer modernen Siedlung gewichen, die zwar noch kein ausgeprägtes Profil hat, aber dennoch als glückliche Lösung angesehen werden kann", ergänzt  das Neuland den Bericht von "The Scotsman".

 

 Das Wohnlager 65 – Linz Niedernhart

 

Dieses Lager war wegen seiner zentralen Lage, seiner regen Vereinstätigkeit, der guten Ausstattung mit Kaufläden und Handwerkern, den Lagerschulen, über die es verfügte, in seiner gesellschaftlichen Bedeutung eines der wichtigsten Wohnlager der Donauschwaben auf dem Boden der Stadt Linz.

 

Im Oktober 1948 beherbergte es 2.904 und am 1.9.1953  2.078 Personen. Es war demnach eines der volkreichen Wohnlager im Raume von Linz. Auf seine Rolle bei der Auswanderungsaktion nach Frankreich wurde bereits hingewiesen, doch muss andererseits auch seine führende Rolle bei der Knüpfung von Verbindungen zur einheimischen Bevölkerung und damit bei der gesellschaftlichen Integration in den neuen Lebensraum hervorgehoben werden.

 

Das war möglich, da dieses Wohnlager ein sehr reges Vereinswesen vor allem auf dem sportlichen Sektor entwickelte, der durch die schönen Erfolge des Sportvereins Union Edelweiß allgemeine Anerkennung fand. Beherzte, sportbegeisterte Männer hatten im März 1946, noch unter den schwierigen Bedingungen der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Proponentenkomitee gebildet mit dem Ziel, einen Sportverein zu gründen, der alsbald als "Sportverein Lager 65" seine Tätigkeit aufnahm, zunächst mit einer Fußball- und einer Handball-Sektion. Eine Damenhandball-, eine Schach- und eine Tischtennis-Sektion folgten. Am 20. Mai 1948 erfolgte die Neugründung und Umbenennung der Vereins unter der Bezeichnung Union SV-Edelweiß Linz, der seinen großen Bekanntheitsgrad und Ansehen vor allem den überragenden Erfolgen seiner Handballer verdankte. Seine Spitzenleistung erreichte der Verein durch die Erringung des österreichischen Staatsmeistertitels im Feld- und Hallenhandball. 1970 nahmen die Handballer als Vertreter Österreichs am Europa-Cup teil und spielten in Steyr gegen Maj Moskau.

 

 

Die Adam-Müller-Guttenbrunn-Siedlung in Stadl-Paura bei Lambach

In Stadl-Paura entstand auf ehemaligem Lagergelände eine der mustergültigsten Neugründungen der Donauschwaben in Oberösterreich, die Adam-Müller-Guttenbrunn-Siedlung. Auf ihre Entstehung und Gestaltung wird daher hier näher eingegangen.

 

1938 entstanden in Stadl-Paura mehrere Barackenlager für diverse Belegschaften. Nach dem Krieg wurden zunächst Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und etwas später vertriebene Donauschwaben in die Notunterkünfte eingewiesen.

 

Über mehrere Jahre herrschte ein Kommen und Gehen. Die Auswanderungswilligen suchten sich in Deutschland oder in Überseeländern eine neue Heimat. Die Menschen, die bleiben wollten, ertrugen noch mehrere Jahre das beengte Wohnen in den Baracken, doch bildete sich bald ein kulturelles Zentrum mit Behelfskirche, Gemeinschaftsbaracke, Schule und Kindergarten. Diejenigen, die einen Arbeitsplatz gefunden hatten, verwendeten ihr erspartes Geld als Eigenkapital, um aus Notunterkünften herauszukommen und Eigenheime zu errichten. Die ersten Baugründe stellte das Stift Lambach zu günstigen Bedingungen zur Verfügung.

 

1956 war die Bautätigkeit bereits voll im Gange, wobei Oberlehrer Jakob Kessler in den Jahren 1954 bis 1959 die treibende Kraft war. Nach dessen Abtreten wurde an die Spitze der Siedlergemeinschaft Martin König gewählt.

 

Ein neues Jugendheim entstand und auch der Plan zum Bau eines neuen Gemeinschaftshauses mit Gottesdienstraum, Festsaal und Kindergarten wurde gefasst und das finanziell aufwendige Vorhaben mit bescheidenem Anfangskapital, Eigenleistungen und Hilfe des Bauordens in Angriff genommen. Spenden aus England, der Schweiz und eine Subvention der Landesregierung ermöglichten es, das Bauvorhaben fortzuführen und 1962 konnte der Kindergarten im Rahmen einer schönen Feier eröffnet werden. Noch war aber die endgültige Fertigstellung des Projektes nicht abzusehen, da oft die Geldmittel zum Weiterbau fehlten. 180 Siedler leisteten den versprochenen Robot, einige brachten es auf über 1000 Arbeitstunden und der Bauausschuss setzte alle Hilfsquellen ein, um das Werk voranzutreiben. Am 2.10.1966 konnte nach sechsjähriger Bauzeit und Überwindung unendlicher Schwierigkeiten das ganze Bauvorhaben fertig gestellt und eingeweiht werden. Eine Urkunde im Turmkreuz und eine eingemauert im Stiegenhaus würdigen den Pioniergeist der donauschwäbischen Siedler des ehemaligen Barackenlagers.

 

Martin König hat als Vorsitzender des Bauausschusses dafür gesorgt, dass die Herkunft und Identität der Siedler durch mehrere Gedenkmäler  und Mahnmale in Stadl-Paura und im Bereich der Siedlung selbst auch für jedermann sichtbar bekundet werden, es sind ihrer insgesamt 6 an der Zahl, unter ihnen herausragend das Bronzerelief, das die 300-jährige Geschichte der Donauschwaben in acht Bildern darstellt (Schifferbrunnen vor dem Rathaus Stadl-Paura).

 

Quellenhinweise - weiterführendes Schrifttum:

  1. Katalog des Oberösterreichischen Landesarchiv zur Ausstellung “Kriegsende und Neubeginn in Oberösterreich  1944 – 1947", S 13.
  2. Ebenda.
  3. Kopie des Titelblattes erhalten von Herrn Friedrich Teutsch, Wels.
  4. Katalog wie Anm. 1. S. 14.
  5. Maximilian Kraus, Das Flüchtlingsproblem in Oberösterreich 1945 – 1963, OÖ Landesarchiv, S22
  6. Archiv der Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen, Landesstelle Linz (künftig: ZBST Linz)
  7. Oberösterreichisches Landesarchiv, (künftig: Kraus, Das Flüchtlingsproblem)
  8. Vergl. Die Darstellung "Volksdeutsche – großer Aktivposten" gezeichnet drg. – ohne Datum (vermutlich Anfang 1952), Archiv ZBST Linz
  9. Max. Kraus, Das Flüchtlingsproblem..., OÖLA, Sign. S.54
  10. Max. Kraus, Das Flüchtlingsproblem, OÖLA, Sign. Statistische Übersicht 16a.
  11. ebenda. S87 ff.
  12. Vgl. Dazu Max. Kraus, Das Flüchtlingsproblem..., OÖLA, Sign....., S.83 ff.
  13. Archiv ZBST Linz
  14. Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 32.Jg. Folge 4, München 1983
  15. Vergleich Max. Kraus, Das Flüchtlingsproblem..., S. 58f., und Alice Ingrid Nargang, Die Flüchtlinge in Oberösterreich, ihre Lage und der Stand ihrer wirtschaftlichen Eingliederung" Dissertation an der Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck, 1955, S.40 f.
  16. Rundschreiben Nr. 12 der ZBST der VD – Donauschwäbische Landsmannschaft vom 17.9.1951, Archiv ZBST Linz
  17. Rundschreiben Nr. 13 der ZBST der VD – Donauschwäbische Landsmannschaft vom 14.11.1951, Archiv ZBST Linz
  18. Archiv ZBST Linz, Schreiben der ZBST Obr/M 853/63 vom 30.Mai 1963 an das Amt der OÖ LR Abteilung Umsiedlung betr. Rechtslage der Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen
  19. Archiv der ZBST Linz, Mitteilung des Amtes der OÖ Landesregierung Ums. 229871 /52/K/Md. Vom 8.7.1952 an die ZBST Linz.
  20. Matz Giljum, Donauschwaben einmal anders, maschine geschriebener Lebensbericht des Verfassers, S 322f.
  21. Chronologie gemäß Festschrift Haid 1990 - Wir seh'n uns wieder 13. bis 15. August. Weiterführende Literatur: Paul Wagner Hrsg. und H.W. Hockl Gesamtred., Von der Barackenkirche zur Autobahnkirche - Haid: Werden einer Siedlung, Haid 1964; Alexandra Kreisberger, Provisorische Heimat - Die DP-Siedlung 121 Haid zwischen 1946 und 1964, Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, 1995.
  22. Helmut Lackner, "Von der Gartenstadt zur Barackenstadt und retour - die Linzer Barackenlager des Zweiten Weltkrieges bis zu ihrer Auflösung" in Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1986, Linz 1987, 217ff.
  23. Vgl. Michael Stertz, "35 Jahre Union SV Edelweiß Linz" in der Festschrift 35 Jahre Sportverein Edelweiß Linz 1948 - 1983.